Nichts weniger als eine Kulturrevolution
In Rheinland-Pfalz hat der Ministerrat in einer Sitzung im Dezember die Novelle des Landes-Bestattungsgesetzes auf den Weg gebracht. Unter anderem soll die allgemeine Sargpflicht auf Friedhöfen entfallen und stattdessen eine Tuchbestattung für jedermann zulässig werden. Gleichzeitig soll die Bestattungspflicht für Urnen entfallen und die Möglichkeit geschaffen werden, die Totenasche außerhalb des Friedhofs zu verstreuen, eine „Seebestattung“ in den vier größten Flüssen des Landes vorzunehmen oder die Urne zu Hause aufzubewahren. „Der gesellschaftliche Wandel hat den Bedarf an alternativen Bestattungsform steigen lassen. Dem tragen wir nun Rechnung. Rheinland-falls bekommt das modernste Bestattungsrecht“, so Gesundheitsminister Clemens so (SPD).
Offenbar ohne zuvor die gesellschaftlich relevanten Gruppen wie zum Beispiel die Kirchen oder die Bestatterorganisationen zu kontaktieren, hat Rheinland-Pfalz seine sogenannte Modernisierung des Bestattungsrechts in Form eines Referentenentwurfs vorgelegt. Während sich in den sozialen Medien einzelne Personen euphorisch über die geplante Liberalisierung äußern und auch die Verbraucherorganisation Aeternitas den radikalen Ansatz begrüßt, werden nun von anderer Seite durchaus erhebliche Widersprüche geäußert.
Der Leiter des Katholischen Büros in Mainz, Dieter Skala, sieht die Gefahr einer Kommerzialisierung des Umgangs mit Verstorbenen: "Was den Begriff der 'Modernität' für ein Bestattungsrecht betrifft, so ist dieser als eher schwierig in seiner Verwendung zu erachten. Im Zentrum stehen sollte vielmehr die Gewährleistung einer würdevollen Totenruhe und des Andenkens. Bisher hat man in diesem Zusammenhang den Begriff der Pietät verwendet." Seine Skepsis gilt insbesondere den Kontrollverlust bei dem Schutz der Totenruhe durch die Verstreuung von Asche oder deren Verpressung zu einem Ernnerungsdiamanten.
Auf vehementen Widerstand stößt die geplante Novellierung bei Bestatter Rheinland-Pfalz. In seiner Stellungnahme führt deren Geschäftsführer Hermann Hubing aus, dass die Aufhebung der Bestattungspflicht von Urnen gravierende Folgen für die Bestattungskultur nicht nur in Rheinland-Pfalz haben würde. Man ersetze die zur Gesetzesbegründung herangezogene vermeintlich um sich greifende Praxis der Kremation im benachbarten Ausland und der anschließenden Aushändigung der Urne an die Angehörigen nur durch einen innerdeutschen Urnentourismus, indem dann eben die Einäscherung in einem Krematorium in Rheinland-Pfalz erfolge. Damit schaffe man einen Anreiz, sich auch außerhalb von Rheinland-Pfalz Friedhofsgebühren und Grabpflegekosten zu sparen. Es gehe dann nur noch um die preisgünstigste Bestattung. „Die Aufhebung der Beisetzungspflicht für Aschen Verstorbener erachten wir für ethisch äußerst fragwürdig und mit der postmortalen Menschenwürde nur schwer vereinbar.“
In diesem Zusammenhang sei der Friedhofszwang unverzichtbar: Nur der Friedhof sei ein Ort der Trauer, der jedermann zur Verfügung stehe. Die deutsche Friedhofskultur, die von der UNESCO als besonders schützenswert eingestuft wurde, sei dadurch in ihren Grundfesten bedroht.
Als besonders grotesk kann man sicherlich auch die geplante Flussbestattung in Rhein, Mosel, Saar und Lahn empfinden. Hier geht schlussendlich die vermeintliche Vorreiterrolle des Landes im wahrsten Sinn des Wortes den Bach hinunter. Denn auch bei dieser Idee gab es keinerlei Abstimmung mit den anderen Bundesländern, durch die die vorgenannten Flüsse fließen.
Aber vollends fegt es den Deckel vom Sarg, wenn man sich § 12 des Referentenentwurfs anschaut. Da geht es nämlich um die Tuchbestattungen, die Rheinland-Pfalz nicht wie in anderen Bundesländern üblich an das Vorliegen religiöser oder weltanschaulicher Vorstellungen knüpft. Vielmehr soll der Sargzwang grundsätzlich aufgehoben werden. Da feiert dann der wiederverwendbare Klappsarg aus dem 18. Jahrhundert, heute würde man sagen: der „Sarg-to-go“, seine unerfreuliche Wiederkehr. Hier wird deutlich, dass es um nichts weniger geht als um eine Kulturrevolution. Hubing dazu: „Eine flächendeckende Aufhebung des Sargzwangs halten wir für unzulässig. Denn ein Sarg ist im Rahmen einer Erdbestattung nicht nur Ausdruck der deutschen Bestattungskultur. Er gehört auch zum unverzichtbaren Bestandteil eines würdigen Begräbnisses.“
Man darf gespannt sein, ob der Entwurf tatsächlich eins zu eins zum Gessetz wird. In Zeiten, in denen auf der anderen Seite eine Reglementierung des Bestattungswesens durch die Einführung einer Meisterpflicht gefordert wird oder wie in Mecklenburg-Vorpommern eine Zertifizierungspflicht für den Leichentransport gesetzlich normiert wurde, wird hier der Versuch unternommen, unter dem Etikett der Modernisierung eine umfassende Liberalisierung umzusetzen. Dazu will jedoch gar nicht passen, dass das geplante Bestattungsgesetz eine nicht unbeträchtliche Verschärfung im Leichenschauwesen vorsieht. Danach soll eine Obduktionspflicht bei Verstorbenen bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres eingeführt werden. Gestützt wird die Novellierung auf einen einzelnen, wenn auch eklatanten Missbrauchsfall in Deutschland. Dennoch ist es völlig unverhältnismäßig, die Eltern eines verstorbenen Kleinkindes einem Generalverdacht und der Belastung durch eine Obduktion des Kindes auszusetzen.